Wo bitte liegt „Urlaub“?

Thorsten Lieder
3 min readJun 6, 2018
“… one more coke please…”

„Könnte ich bitte Frau Meiermüllerschulze sprechen“

„Tut mir leid, die ist im Urlaub“

Interessant, wo die Leute nicht überall hinreisen. Auch nach dem obigen Telefonat bemühte ich mich nach Kräften, im Atlas oder auf dem Globus irgendwo diesen Ort zu finden. Auch eine umfassende Suche auf Google-Maps blieb bisher ergebnislos.

Nach einer eingehenden Recherche bin ich allerdings zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich um einen Ort in einer Art Paralleluniversum handeln muss, denn die Indizien sind erdrückend und deuten mehr als signifikant darauf hin, dass alle Regeln und Gesetze (auch die des Anstands) dort nicht zu gelten scheinen.

Den meisten Leuten ist es, zumindest den eigenen Angaben zufolge, durchaus bewusst, dass ein gewisses „Umweltverhalten“, Respekt vor anderen Kulturen und ähnliches nicht nur wünschenswert ist, sondern auch im weitesten Sinne als lebenswert gilt. Jede(r) möchte selber auch so wahrgenommen und respektiert werden. Warum also werden die Grundsätze, die im heimischen Umfeld als „wahlentscheidend“ gelten, auf Reisen so gerne vergessen?

Na und? Ich bin doch im Urlaub!

Die „Heute Show“ karikierte diese Auswirkungen im Mai 2018 in einem Beitrag: https://youtu.be/4DLmEbB-mgo?t=39s.

Im Jahr 2017 wurden den Angaben zufolge 13,7 (!!) Millionen Reisende auf Mallorca gezählt. Dass sich die Mallorquiner hier „unwohl“ fühlen und das so nicht mehr auf ewig so hinnehmen wollen, ist mir persönlich nicht ganz unverständlich.

Ich selber reise sehr gerne, wundere mich aber auf Reisen nicht selten genug über die Respekt- und Rücksichtslosigkeit, die manche von diesen „Urlaubern“ im eigenen Umfeld kaum akzeptiert werden würden.

Kennen Sie „Pettersson und Findus — Petterssons Bruder“? Genau diese Rücksichtslosigkeit dem Umfeld und den kulturellen Gewohnheiten gegenüber kann in dieser Kindersendung bestens besichtigt werden. Petterssons Bruder ist „zu Besuch auf dem Land“, verscheucht die Hühner, die ihn als Städter stören und macht einen erheblichen Radau.

Daheim, wie auch anderswo: voll daneben ist auch vorbei.

„Na und? Ich habe doch Urlaub!“. Genauso hört sich ein Zitat aus einem Spot der Heute-Show an, in dem ein „Strand-Urlauber“ auf Mallorca, der danach befragt wird, ob er denn Verständnis für die Anwohner aufbringen würde, wenn sich diejenigen durch das Verhalten mancher Touristen gestört fühlen? Die Antwort in diesem Spot lautete in etwa: „…na und? Ich habe jetzt eine Woche Urlaub. Sollen die Eingeborenen doch auswandern, was weiß ich…“. Dieser Kandidat hat den genannten Kinderfilm sicher nicht gesehen (oder zumindest in keinster Weise abstrahiert).

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Aufgrund genau DIESER Einstellung ist für mich der Begriff „Urlaub“ ein Unwort.

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Thorsten Lieder

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